Das Recht auf Familie ist ein universelles und fundamentales Menschenrecht. In der Kinderrechtskonvention sowie der Europäischen Menschenrechtskonvention, aber auch im Grundgesetz spielen das Recht auf Familieneinheit, das Verbot der Familientrennung, der besondere Schutz der Familie und insbesondere die in der Regel herausragende Bedeutung der Familie für das Kindeswohl eine große Rolle.
Viele der jungen Geflüchteten, die wir bei lifeline e.V. begleiten, äußern schon beim ersten Kennenlernen den dringenden Wunsch, ihre Familie nach Deutschland nachzuholen. Die lange Trennung von der Familie und die Angst, dass auch sie Opfer der anhaltenden Gewalt in ihren Heimatländern werden, ist eine enorme psychische Belastung für die unbegleiteten Minderjährigen! Das Ankommen in Deutschland, der Schulbesuch und das Erlernen der Sprache treten in den Hintergrund, wenn die Sorge um die Familie den Alltag beherrscht.
Der Prozess des Familiennachzugs hatte sich bereits im letzten Jahr enorm erschwert. Nicht nur sind die Wartezeiten extrem lang und die Behördenprozesse intransparent, auch wird der geltende Erlass zum Geschwisternachzug aus Schleswig-Holstein durch die Ausländerbehörden bzw. Auslandsvertretungen nicht mehr angewendet und die Sondertermine für die Familienangehörigen von bald volljährig werdenden Jugendlichen wurden abgeschafft. Im Dezember haben wir gemeinsam mit einem breiten Bündnis an Organisationen und den Betroffenen unsere Forderungen für den Familiennachzug auf die Straße getragen.

Einige Familiennachzüge konnten wir in den vergangenen Monaten dennoch erfolgreich begleiten. Das Wiedersehen mit ihren Eltern und Geschwistern hat die Lebenssituation der Kinder und Jugendlichen grundlegend verändert und ist von unschätzbarem Wert.
Nun haben Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten (befristet) auszusetzen. Diese Entwicklungen sind katastrophal und bedeuten für viele Familien, dass sie auf unabsehbare Zeit getrennt werden. Die Minderjährigen, die von den Veränderungen betroffen sind, sind verzweifelt. Nachdem sie jahrelang alles getan haben, was von ihnen verlangt wurde, nachdem Begleitpersonen und nicht zuletzt auch Sachbearbeiter*innen von Behörden ihnen zugesichert haben, dass der Familiennachzug möglich sei, stehen sie nun plötzlich vor dem Ende eines Traumes. Der Nachzug ihrer Eltern und Geschwister ist auf einmal in weiter Ferne, möglicherweise wird es nie mehr möglich sein.
Unbegleitete minderjährige Geflüchtete sind besonders vulnerabel. Dass die Bundesregierung ihnen aufgrund ausgrenzender, diskriminierender Stimmungsmache ein so grundlegendes Recht entziehen will, ist eine Schande! Menschenrechte wie das Recht auf Familie sind nicht verhandelbar und müssen für alle Kinder und Jugendlichen gleichermaßen gelten!