lifeline e.V. zum Weltflüchtlingstag am 20.6.2025

Wir fordern: Keine strukturelle Diskriminierung von unbegleiteten Minderjährigen und begleiteten unbegleiteten Minderjährigen durch strategische Ausschlüsse von Hilfen nach SGB VIII § 27 ff und implizite Verweigerung von Zugang zu Rechtsmitteln!

Zum heutigen Weltflüchtlingstag möchten wir unsere Sorge und vehemente Kritik an den aktuellen Rückschritten bezüglich der Situation von minderjährigen Geflüchteten ausdrücken. Insbesondere kritisieren wir die geplante Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte. Sowie die rechtswidrigen Zurückweisungen von Asylsuchenden an der Landesgrenze.

Darüber hinaus möchten wir aber das Augenmerk heute auf diskriminierende Tendenzen im Rahmen der Jugendhilfe lenken, die wir seit einiger Zeit beobachten: Es gibt seit etwa Mitte 2024 deutliche Veränderungen im Hinblick auf die Gewährung von Hilfen zur Erziehung nach § 27 ff SGB VIII. Diese Veränderungen führen im Ergebnis zu struktureller Diskriminierung unbegleiteter und begleiteter minderjähriger Geflüchteter.

Eine Hilfe wird in vielen – nicht allen – Jugendämtern des Landes Schleswig-Holstein zunehmend nur noch dann gewährt, wenn ganz eindeutig und explizit „pädagogische Hilfebedarfe“ geäußert werden. Dies betrifft sowohl unbegleitete Minderjährige als auch sogenannte „begleitete unbegleitete Minderjährige“. Besonders betroffen sind davon aber die „begleiteten Minderjährigen“:

Minderjährigen, die in Begleitung Verwandter – mit oder ohne Erziehungsberechtigung – einreisen, oder nach unbegleiteter Einreise bei Verwandten untergebracht werden, werden immer häufiger Hilfen zur Erziehung versagt. Es wird damit argumentiert, dass kein „genuin pädagogischer Hilfebedarf“ vorläge. In vielen Fällen stellen Jugendämter schon beim ersten Clearing nach der Einreise schriftlich fest, „ein Hilfebedarf konnte nicht ermittelt werden“, und verschließen damit direkt den Zugang zu Hilfen im weiteren Verlauf.

Bei minderjährigen Geflüchteten, die sich ohne ihre Eltern in der BRD aufhalten, liegen oft nicht die jugendhilfetypischen Situationen vor, die bei Kindern und Jugendlichen im Vordergrund stehen, die hier aufgewachsen sind. Der große Unterschied liegt darin, dass die Eltern dieser minderjährigen Geflüchteten zwar möglicherweise erziehungsfähig und in der Lage wären, ihre Kinder zu unterstützen – dass sie aber nicht im Land sind, und dadurch faktisch daran gehindert sind, ihre Kinder zu unterstützen.

Somit ergeben sich hier andere, eigentlich bereits vor Jahren in Schleswig-Holstein als für die Hilfeplanung relevant anerkannte Bedarfe. Diese besonderen, situationsbedingten Hilfebedarfe, die für junge Geflüchtete in der Regel im Zentrum stehen, sind zum Beispiel: die Unterstützung bei der Verarbeitung der Fluchterfahrung, beim Ankommen und Einfinden in die Sprache und Kultur der Ankommensgesellschaft; Unterstützung bei der Identitäts- und Persönlichkeitsentwicklung in einem neuen Kulturkreis; die Verarbeitung der Trennung von der Herkunftsfamilie und der Unsicherheit über deren Wohlbefinden und Ähnliches. Oder auch offensichtliche Einschränkungen hinsichtlich einer selbst-verantwortlichen Lebensführung bei Eintritt der Volljährigkeit. Diese speziellen Bedarfe werden zunehmend nicht mehr als „pädagogische Bedarfe“ klassifiziert. Es wird an Jugendmigrationsdienste, Jobcenter für Jugendliche, Integrationsbeauftragte der Kommunen, Migrationsberatungsstellen und nicht zuletzt an die – mit all diesen Dingen oft überforderten – Verwandten verwiesen.

Nicht nur werden die typischen Bedarfe junger Geflüchteter aus dem Bereich der Jugendhilfe ausgegliedert und in andere Regelsysteme verwiesen, es werden auch regelmäßig keine rechtsmittelfähigen Ablehnungsbescheide erteilt.  Ohne einen rechtsmittelfähigen Ablehnungsbescheid wissen die Jugendlichen weder, was sie unternehmen können, um die nötige Unterstützung zu erhalten, noch wird ihnen die Möglichkeit zum Widerspruch auf dem Rechtsweg gegeben.

Damit schließt sich der Kreis: Die Jugendlichen werden faktisch aus dem SGB VIII ausgeschlossen.

Wir möchten an dieser Stelle eindringlich auf die Empfehlungen für die Hilfeplanung aus der „Handreichung zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge in Schleswig-Holstein“ aufmerksam machen:

„Bei der Erstellung des Hilfeplanes müssen zu den allgemein gebräuchlichen Anhaltspunkten für den pädagogischen Bedarf folgende flüchtlingsspezifische Aspekte Berücksichtigung finden:

(…)

Neben altersbedingten Indikationen im Bereich der Persönlichkeitsentwicklung liegen bei minderjährigen Flüchtlingen in der Regel durch die Flucht hervorgerufene Bedarfsbereiche vor:

– Hilfe bei der Aufarbeitung von Fluchthintergründen
– Hilfe im Umgang mit der eigenen Fluchtgeschichte
– Hilfe im Umgang mit den damit verbundenen psychischen und emotionalen Belastungen
– Stärkung des Realitätsbezugs
– Förderung der sich aus der Fluchtbiografie ergebenden Ressourcen,
– Unterstützung bei der Auseinandersetzung mit Werten und Normen des Heimat- und Aufnahmelandes
– Unterstützung bei der Identitätsfindung im neuen gesellschaftlichen und kulturellen Kontext – Abklärung von psychischen und psychosozialen Auffälligkeiten, ggf. Therapiebedarf z.B. bei Traumatisierungen
– Unterstützung im Umgang mit ungewissen Aufenthaltsperspektiven

Im Bereich Schule/Ausbildung/Beruf müssen nach Ermittlung der im Herkunftsland erworbenen schulischen Vorkenntnisse die Perspektiven im hiesigen Bildungssystem geklärt werden. Im schulischen Bereich ist in der Regel erhebliche Unterstützung notwendig bezüglich des Erwerbs der deutschen Sprache (ggf. Alphabetisierung), der Integration in das deutsche Schulsystem, des Erhalts der Muttersprache und der Bewältigung der alltäglichen Anforderungen in der Schule (ggf. Hausaufgabenhilfe). Die unterschiedlichen kulturellen Einstellungen können den Umgang miteinander erschweren. Die Stärkung sozialer Kompetenzen unterstützt und hilft, kulturelle Barrieren zu überbrücken. Wichtig ist deshalb die Förderung von Kontakten außerhalb der Einrichtung, aber auch die Förderung von Kontakten zur ethnischen Gemeinschaft. (Die Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie benennt allgemeine Aspekte, die in jedem Einzelfall individuell konkretisiert werden müssen.)“ (https://www.frsh.de/fileadmin/pdf/Medien/UMF-SH_handreichung_12-2008.pdf S.18)

Wir fordern vor diesem Hintergrund:

Die Berücksichtigung der Empfehlungen aus der oben genannten Handreichung in der Ermittlung des Hilfebedarfs von begleiteten und unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten auch bei nahendem oder bereits vollzogenem Eintritt der Volljährigkeit.

Die sorgfältige Prüfung der Geeignetheit von Verwandten für die umfassende Betreuung und Erziehung der Minderjährigen.

Im Zweifel, insbesondere bei ausdrücklichen Äußerungen von Verwandten, die Erziehung nicht gewährleisten zu können: die Anregung einer Vormundschaft und/oder die Gewährung von Hilfen zur Erziehung.

Die umfassende Aufklärung im ersten Clearing über mögliche Hilfen zur Erziehung, inklusive die Möglichkeit, Verwandtenpflege zu beantragen.

Die umfassende Aufklärung der Minderjährigen über ihre Rechte und die Stellen, an denen Beschwerde eingereicht werden kann, z.B. Ombudsstellen.

Bei Ablehnung von Hilfen umgehende Ausstellung eines rechtsmittelfähigen Ablehnungsbescheids.

Keine Diskriminierung von jungen Geflüchteten durch strukturellen Ausschluss aus der Jugendhilfe und ein Besinnen auf die ehemals anerkannten, besonderen Bedarfe von jungen Geflüchteten für die Hilfeplanung.

Fortbildung „Identitätsklärung von unbegleiteten minderjährigen und jungen volljährigen Geflüchteten“

Einladung zur Fortbildung
am Mittwoch 09.07.2025 von 16 – 18 Uhr

„Identitätsklärung von unbegleiteten minderjährigen und jungen volljährigen Geflüchteten“

Referent: Simon Dippold
(Identität & Respekt – Landesweite Flüchtlingshilfe beim Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein)

Liebe Jugendliche, liebe ehrenamtliche Vormund*innen und Begleitpersonen, liebe Betreuer*innen, liebe Interessierte,

im Rahmen der Projekte „Frische Brise“ und „Kompass“ veranstaltet lifeline e.V. eine Fortbildung zum Thema „Identitätsklärung von unbegleiteten minderjährigen und jungen volljährigen Geflüchteten“.

Das Thema Identitätsklärung spielt für alle Geflüchteten, damit auch für die unbegleiteten Minderjährigen und jungen Volljährigen, ein großes Thema bei Ankunft und weiterem Aufenthalt in Deutschland. Für den deutschen Rechtsstaat sind Informationen über die Identität eines Menschen ein entscheidender Faktor für das Asylverfahren, das Bleiberecht allgemein und die Verfestigung des Aufenthalts. Für Betroffene, die vor der Aufgabe stehen ihre Identität zu klären und zu beweisen, beinhaltet dieses Thema oft viele Hürden – sowohl emotional als auch finanziell und zeitlich, denn bei Nichterfüllung der Anforderungen kann es zu aufenthaltsrechtlichen Problemen kommen.

Wir wollen uns in der Fortbildung u.a. folgenden Fragen widmen:
Was bedeutet eigentlich Identitätsklärung und Passpflicht?
Was sind Mitwirkungspflichten?
Wie kann ich diese erfüllen, wann gilt meine Identität als ‚geklärt‘ und welche Nachweise muss ich hierfür vorlegen?
Welche Voraussetzungen an die Identitätsklärung liegen je nach Aufenthaltsstatus vor?

All das und noch ein bisschen mehr wird in der Fortbildung Thema sein. Im Anschluss an den Input wird es auch Zeit für Fragen, Austausch und Diskussion geben.

Wann? 09.07.2025 von 16:00 – 18:00 Uhr
Wo? lifeline e.V. Sophienblatt 64a, 24114 Kiel

Wir bitten um Anmeldung zur Veranstaltung unter 0431-2405828 oder frische.brise@lifeline-frsh.de

Es grüßt herzlich das lifeline e.V. Team

Fortbildung „Beziehungsaufbau – Besonderheiten und Handwerkzeug des persönlichen Beziehungsaufbaus zu Kindern/Jugendlichen mit Fluchterfahrung“

 Einladung zur Fortbildung” Beziehungsaufbau“

Liebe ehrenamtliche Vormund*innen und Begleitpersonen, liebe Interessierte,

im Rahmen des Projekts „Frische Brise“ veranstaltet lifeline e.V. eine Fortbildung zum Thema „Beziehungsaufbau – Besonderheiten und Handwerkzeug des persönlichen Beziehungsaufbaus zu Kindern/Jugendlichen mit Fluchterfahrung“.

Die Vormundschaft oder Begleitung für eine*n unbegleitete*n minderjährige*n Geflüchtete*n zu übernehmen, ist ein sehr besonderes und verantwortungsvolles Ehrenamt. Sowohl vor der Übernahme als auch während der Vormundschaft/Begleitung kann es helfen, sich mit den folgenden Fragen zu beschäftigen und dabei seine eigene Haltung zu reflektieren:
Warum genau möchte ich dieses Ehrenamt machen? Was bedeutet es für mich? Was ist mir dabei wichtig? Welche Erwartungen bringe ich mit in die Rolle als Vormund*in/Begleitung? Was darf mir in der Beziehung mit dem Mündel/jungen Menschen nicht passieren? Wie stelle ich mir die Beziehung vor?
All das und noch ein bisschen mehr wird in der Fortbildung Thema sein. Selbstverständlich wird es auch Zeit für Fragen, Austausch und Diskussion geben.

Wann? 10.06.2025 von 16 – 19 Uhr (mit Pause)
Wo? lifeline e.V. Sophienblatt 64a, 24114 Kiel
Referentin: Solveigh Deutschmann (freie Referentin in der Jugend- und Erwachsenenbildung)

Wir bitten um Anmeldung zur Veranstaltung unter 0431-2405828 oder frische.brise@lifeline-frsh.de

Viele Grüße
Dorothee Paulsen, Paula Theiß & Jessica Allermann

An die neue Bundesregierung: 293 Organisationen fordern eine verantwortungsvolle Migrations- und Asylplitik

  • Zum heutigen Amtsantritt der neuen Bundesregierung fordert ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis eine verantwortungsvolle Migrations- und Asylpolitik und einen neuen Ton in der Debatte über Zuwanderung.
  • “Der Wahlkampf war geprägt von einer aufgeheizten Stimmung, die sich vor allem gegen Geflüchtete und Zugewanderte richtete. Das hat sich auch im Koalitionsvertrag niedergeschlagen”, heißt es in dem gemeinsamen Appell. Damit muss endlich Schluss sein. Die Ausgrenzung einzelner Gruppen schadet dem gesellschaftlichen Zusammenhalt und nützt nur den Feinden einer freiheitlichen Demokratie, so die Unterzeichnenden. 
  • “Zugewanderte und hierher geflüchtete Menschen sind integraler Teil unserer Gesellschaft – sie gehören zu Deutschland”, so das Bündnis. Nicht Geflüchtete und Zugewanderte spalteten die Gesellschaft, sondern eine Politik, die sich den strukturellen und sozialen Problemen zu lange nicht konsequent angenommen hat. Das Bündnis kritisiert: “Für die hohe Belastung von Kommunen und einzelnen Berufsgruppen im Zusammenhang mit Migration werden allein Geflüchtete verantwortlich gemacht, anstatt die tatsächlichen sozialen, politischen und finanziellen Ursachen dieser Belastung anzugehen.“
  • Es brauche jetzt vor allem gute Konzepte für eine funktionierende Asyl-, Aufnahme- und Integrationspolitik, die Offenheit und Vielfalt schützt und stärkt. Hierzu zählen
    • der Schutz individueller Rechte, insbesondere des Rechts auf Asyl und damit auch ein Absehen von Zurückweisungen an der Grenze,
    • der Erhalt legaler Zugangswege, wie Resettlement und Aufnahmeprogrammen und insbesondere des Familiennachzugs,
    • Maßnahmen für eine erfolgreiche Integration aller, wie verlässliche und auskömmliche Investitionen in die Integrations- und Aufnahmestrukturen, bspw. die Entfristung des Chancen-Aufenthaltsrechts sowie ein Abbau der Hürden für die Arbeitsaufnahme Geflüchteter.
  • Der Appell für eine menschenrechtsbasierte und verantwortungsvolle Migrationspolitik wurde vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), von PRO ASYL und vom Paritätischen Gesamtverband initiiert und von insgesamt 293 Organisationen und Verbänden unterzeichnet.

Der Appell mit den unterzeichnenden Organisationen kann unter folgendem Link heruntergeladen werden:

lifeline zum Sondierungspapier von Union und SPD

Am vergangenen Samstag haben Union und SPD die Ergebnisse ihrer Sondierungen veröffentlicht
(https://www.portal-sozialpolitik.de/uploads/sopo/pdf/2025/2025-03-
08_Sondierungspapier_CDU_CSU%20_SPD.pdf
).

Teil 4 des Sondierungspapiers beschäftigt sich mit dem Themenbereich Migration – die Inhalte sind ein Angriff auf die Schwächsten innerhalb unserer Gesellschaft!
Es heißt zunächst: „Wir stehen zu unserer humanitären Verantwortung und wollen Integration ermöglichen.“ Die darauffolgenden Ausführungen machen deutlich, dass es sich dabei lediglich um leere Worthülsen handelt.

So soll die Begrenzung der Migration ergänzend zur Steuerung im Aufenthaltsgesetz verankert werden. Dafür sollen, unabhängig von Asylgesuchen, Zurückweisungen an den deutschen Grenzen erfolgen. Hier wird nicht nur das Recht auf Asyl fundamental angegriffen, Zurückweisungen an den Grenzen sind auch unions- und völkerrechtswidrig. Dies wurde in der Vergangenheit durch umfangreiche Rechtsprechung von deutschen Verwaltungsgerichten wie auch dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bestätigt. (z.B.: https://www.ecchr.eu/pressemitteilung/egmr-bestaetigt-unrechtmaessigkeit-von-zurueckweisungen-an-den-binnengrenzen/)

Außerdem sollen freiwillige Aufnahmeprogramme, wie zuletzt das Bundesaufnahme-programm Afghanistan, eingestellt und keine neuen aufgenommen werden. Schon bisher ist die Umsetzung des Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan eine Bilanz des Scheiterns seitens Deutschlands. Nun jedoch auf eine Abschaffung sämtlicher Programme zu setzen und prinzipiell keine neuen zuzulassen, zeugt von einer schlichtweg menschen-verachtenden Politik ohne jegliche humanitäre Verantwortung.

Der Amtsermittlungsgrundsatz im Asylverfahren soll in einen Beibringungsgrundsatz umgewandelt werden. Bisher sollten Behörden den gesamten Sachverhalt ermitteln, nun soll es alleine den Betroffenen obliegen, Gründe für ihre Schutzbedürftigkeit zu beweisen. Hier wird ein fundamentaler Grundsatz des Rechtsstaats angegriffen und Asylsuchenden das Recht auf ein faires Verfahren genommen.

Darüber hinaus planen CDU/CSU und SPD, weitere Staaten zu sogenannten „sicheren Herkunftsländern“ zu erklären. Wie u.a. eine Analyse von Pro Asyl (https://www.proasyl.de/news/diesicheren-herkunftsstaaten-des-westbalkans-eine-kritische-analyse/) zeigt, ist die Einstufung der bisher als „sicher“ geltenden Länder nicht mit der tatsächlichen menschenrechtlichen Lage in diesen Staaten vereinbar und widerspricht außerdem dem individuellen Recht auf Asyl.

Für die unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten, die wir bei lifeline e.V. begleiten und beraten, ist besonders dramatisch, dass der Familiennachzug zu subsidiär Geschützten (befristet) ausgesetzt werden soll. Kinder und Jugendliche werden so auf unabsehbare Zeit von ihren Familien getrennt. Wie schon in unserem Appell aus Januar 2025 (https://www.lifeline-frsh.de/appell-demokratierechtsstaatlichkeit-und-menschenrechte-schuetzen/) geschildert, wird hier mit grundlegenden Menschen- und Kinderrechten gebrochen! Der, von der Union propagierte, besondere Schutz der Familie gilt für sie offensichtlich nicht für alle Familien gleichermaßen.

Die bereits eingeführte Bezahlkarte soll deutschlandweit umgesetzt, eine Umgehung verhindert werden. Die Bezahlkarte ist diskriminierend und es wurde mehrfach erfolgreich gegen die aktuelle Umsetzung geklagt, da die persönlichen Lebensumstände nicht genug Berücksichtigung finden. Weitere Informationen unter: https://www.lifeline-frsh.de/vorschlaege-zur-ausgestaltung-derbezahlkarte-in-schleswig-holstein/.

Union und SPD wollen (weiterhin bzw. wieder) nach Afghanistan und Syrien abschieben. Insgesamt soll die Zahl der Abschiebungen mithilfe von sog. Rückführungsabkommen erhöht werden, welche immer einfachere und schnellere Abschiebungen ermöglichen, ohne die tatsächliche Situation sowohl der betroffenen Personen als auch im jeweiligen L and zu berücksichtigen. Des weiteren soll Abschiebehaft ausgeweitet werden, obwohl jede zweite juristisch untersuchte Abschiebehaft rechtswidrig ist (https://www.lsfw.de/statistik.php). Abschiebehaft als freiheitsentziehende Maßnahme zur Durchsetzung eines Verwaltungsaktes (Mensch wird von A nach B gebracht) ist mit Menschenwürde nicht vereinbar. Die hohe Zahl der rechtswidrigen Inhaftierungen zeugt von einer Praxis, die rechtsstaatliche Grundsätze vermissen lässt. Zusätzlich soll noch eine neue Form der Abschiebehaft, ein sog. „Ausreisearrest“, geschaffen werden. Es ist fraglich, wozu genau dieser notwendig sein soll, weil dem deutschen Staat im Aufenthaltsgesetz bereits etliche verschiedene Haftarten für die Inhaftierung vor einer Abschiebung zur Verfügung stehen. Auch die Kompetenzen der Bundespolizei in Hinblick auf Abschiebungen und Abschiebehaft sollen erweitert werden, obwohl an sich die Ausländerbehörden bzw. Landesämter hier in der staatlichen Zuständigkeit sind. Schon jetzt kann die Bundespolizei Anträge auf Abschiebehaft stellen und begleitet Abschiebungen, wo die Ausländerbehörde dies für erforderlich hält.

Im Januar hat die SPD das rechtspopulistische „Zustromsbegrenzungsgesetz“ der Union noch abgelehnt, nun finden sich die grundlegenden Aspekte im gemeinsamen Sondierungspapier wieder.
Das gesamte Papier zeigt klar die nun gemeinsam vertretenen Absichten von CDU/CSU und SPD: Um jeden Preis sollen Einreisen von Schutzsuchenden nach Deutschland verhindert und Abschiebungen ermöglicht werden. Ob dabei Menschenrechte und internationale Abkommen missachtet und letztendlich die betroffenen Personen selbst zu Schaden kommen, spielt anscheinend keine Rolle.


Wir erleben in unserer Arbeit bereits die Auswirkungen des menschenfeindlichen Diskurses der vergangenen Monate, welcher sich in diesem Sondierungspapier manifestiert, auf die jungen Geflüchteten. Sie werden davon verunsichert, leben in Angst vor Ausgrenzung und Anfeindung, können nicht wirklich ankommen, sich zuhause und sicher fühlen. Die Freude derer, die bereits seit Jahren in Deutschland leben und sich als Teil der Gesellschaft gefühlt haben, verwandelt sich in Unsicherheit und Enttäuschung. Dies hat massive Auswirkungen auf die Bewältigung von Entwicklungsaufgaben, auf das Lernen und das Zugehörigkeitsgefühl zur Gesellschaft. Mit Ermöglichung von Integration hat dieses Papier nichts zu tun. Es fragt sich: Wer hat die Wahl eigentlich gewonnen?


lifeline e.V. steht parteiisch an der Seite der Geflüchteten und fordert:

Die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte gelten für alle! Ganz besonders für diejenigen, die aus ihren Herkunftsstaaten fliehen mussten und schutzbedürftig sind. Menschenfeindliche Migrationspolitik, wie sie im Sondierungspapier vorgeschlagen wird, ist nicht Teil der Lösung von gesamtgesellschaftlichen Aufgaben. Sie ist Teil des Problems. Denn kein Mensch flieht ohne Grund und Menschenrechte dürfen nie wieder (und zwar wirklich nie wieder) infrage gestellt werden.